Carlsen sorgt mit einem Kundenmagazin, aber auch mit verschiedenen Marketing-Aktionen und Signierstunden dafür, den Comic als Teil des Buchhandels zu verankern. Bis zum Ende der 1980er Jahre befand sich der Verlag in der goldenen Position, dass er praktisch der einzige war, der den Buchhandel mit entsprechenden Produkten versorgte. Aber ein derartiger Erfolg weckt natürlich Begehrlichkeiten.

Ehapa warb Klaus M. Mrositzki ab, der Carlsen 1988 verließ und bei den damaligen Stuttgartern begann, die Ehapa Comic Collection aufzubauen. Ehapa wollte nicht bei einem wichtigen Marktsegment abgehängt werden und setzte nun darauf, ebenfalls den Buchhandel anzugehen. Dabei nutzte Mrositzki sein Know-How, um schnellstmöglich flächendeckend vertreten zu sein, inklusive Aktionen, die auch bei Carlsen schon funktioniert hatten: ein eigenes Kundenmagazin, gute Konditionen für die Händler und ein paar ganz schwere Geschütze im Programm. Bei Ehapa waren dies die Barks Library und Asterix, aber damit allein lässt sich kein Programm bestreiten.

Was folgte, war ein Konkurrenzkampf zwischen Carlsen und Ehapa, bei dem beide Verlage versuchten, möglichst viele frankobelgische Titel aufzukaufen. Das Ergebnis war dabei, dass nicht mehr nur erstklassiges, sondern auch zweitklassiges Material zum Einsatz kam. Allerdings hatte Ehapa auch noch den Vorteil, zahlreiche Titel, die aus dem Pressevertrieb bekannt waren wie Lucky Luke, Blueberry oder Isnogud in edlerer Form zu präsentieren. Fans aus der Presseschiene wurden so in den Buchhandel gelockt.

Damit gelang es Ehapa, die Dominanz von Carlsen zu brechen. Es pendelte sich etwas ein gleicher Wert ein, aber beide Verlage überschwemmten den Markt auch. In der Spitze erschienen von Carlsen und Ehapa im Jahr etwa 250 Alben, dazu noch mal gut 100 Alben von kleineren Mitbewerbern.

Es war eine Goldgräberstimmung, bei der die Verlage auch entsprechende Absatzmengen hatten und von Toptiteln höhere fünfstellige Zahlen an den Mann gebracht wurden. Ein Problem war jedoch das Überangebot, das bald den Buchhandel, vor allem aber auch den Käufer überförderte.

Eine Marktbereinigung fand statt, die auch dadurch begünstigt wurde, dass die großen Serien nach und nach zum Abschluss gebracht wurden, womit einige der Goldesel wegfielen, während neue Serien nicht den nötigen Ersatz bieten konnten.

Zum Ende der 1990er Jahre fuhren viele Buchhandlungen ihr Engagement in Sachen Comic wieder deutlich zurück. Was zuvor jahrelange Arbeit durch den Vertrieb erfordert hatte, damit überhaupt Fläche für die Präsentation von A4-Formaten geschaffen wurde, zerfiel nun nach und nach.

Zugleich verlagerte sich der Erfolg der Comics wieder auf den Pressevertrieb, nun aber in einem anderen Format: dem Comic-Heft. Daran wollte auch Carlsen partizipieren, scheiterte aber im Wesentlichen durch eine schlechte Titelauswahl. Allerdings war am Horizont schon ein Hoffnungsschimmer zu sehen: der Manga.

Sieht man sich heute in Buchhandlungen um, so ist ein eigener Bereich für den Manga ganz selbstverständlich. Übrigens selbstverständlicher als beim klassischen Album. Auch hier nahm Carlsen eine Vorreiterrolle ein, nachdem unter Andreas C. Knigge der japanische Comic Dragon Ball gekauft worden war. Dieser erschien als Taschenbuch, in japanischer Leserichtung und für einen vergleichsweise günstigen Preis von 9,95 Euro. Dazu wurde er sowohl im Pressegrosso als auch im Buchhandel lanciert.

Dazu sagte Andreas Wiedemann, der zu jener Zeit als Verlagsvertreter für Ehapa tätig war, später aber auch für Carlsen arbeitete, im Gespräch mit Kristina Auer: „Ende 1997 erschien bei Carlsen Dragon Ball im Taschenbuchformat für sage und schreibe nur DM 9,95. Das Ding wurde auch noch verkehrt herum publiziert, ich dachte anfänglich, Knigge will Carlsen ärgern. Wie sich später erweisen sollte, hatte er aber den richtigen Riecher. Da Carlsen keine halben Sachen macht, wurde der Handel gleich mit Displays à 80 Exemplaren von Dragon Ball beglückt, plus Folgelieferungen in den Monaten danach. Das floppte in der Breite des Buchhandels. Im Fachbuchhandel krallte sich Dragon Ball jedoch fest und konnte sich entwickeln. Das war durchaus eine Zeitenwende im deutschen Comicmarkt. Eine ausgemachte neue junge Zielgruppe, ein neues Format und ein Preisniveau, das zwischen den Presse- und den Buchhandelscomics lag, das heißt Faktor 1,5 zum Preis der Lustigen Taschenbücher. Hatten wir kurz vorher noch Bedenken, wie es zur Jahrtausendwende aussehen wird, kam nun Hoffnung auf.“

Dabei war dieser Schritt aus der Not heraus geboren worden, wie sich Joachim Kaps im Gespräch mit Volker Hamann erinnert: „Die Dragonball-Presseausgabe war Hubert Bergmosers Verzweiflungstat. Das erinnere ich noch. Es war klar: Es gibt einen Vertrag, und danach mussten 30.000 Exemplare gedruckt werden. Das war damals so ziemlich das Absurdeste, was du dir überhaupt vorstellen konntest. Und Andreas hatte sich, glaube ich – ich war da noch nicht da gewesen –, sehr viel Mühe gegeben, diesen Vertrag hinzukriegen. Dragon Ball war immerhin der meistverkaufte Comic der Welt. Und den kriegst du natürlich nicht für ein »Lass’ uns erstmal gucken!« Und dann hast du da ein Vertriebsteam, das sagt: »Also im Buchhandel kriegen wir … – Was hatten wir noch von Alita? – Da kriegen wir bestimmt 1500 Exemplare untergebracht.« Und dann hat Bergmoser in seiner Verzweiflung begriffen, dass er niemals die vereinbarte Auflage rauskriegen wird.“

Damit wurde auch eine neue Leserschaft angesprochen, da mit dem Manga deutlich mehr Mädchen und junge Frauen für den Comic geworben wurden. Der Manga hat darüber hinaus im Buchhandel einen immensen Vorteil: Die Regale sind dort auf Taschenbücher ausgerichtet, weswegen mit Leichtigkeit diese Schiene ausgebaut werden konnte, während für die hochformatigen Alben Umbauten vonnöten waren.

Die Auflagen waren dabei auch höher als bei frankobelgischen Alben, obschon sich das mit einer immer größeren Titelflut auch etwas relativiert hat. Carlsen, Egmont und Tokyopop konnten so aber den Buchhandel in Sachen Comic deutlich beleben, während andere Verlage hier eher außen vor bleiben. Der neue Splitter Verlag beliefert hauptsächlich den Fachhandel, wobei hier auch nur die wenigsten Händler den mittlerweile mächtigen Titelstock komplett vorrätig halten können, zumal Monat für Monat an die 15 neue Titel kommen. Panini wiederum scheint sich bewusst aus dem Buchhandel zurückzuhalten, wie Joachim Kaps vermutet: „Panini hat bis heute offensichtlich kein Interesse am Buchhandel, denn die Verkäufe, die sie da erzielen, sind so mickrig, gemessen an ihrem Output, dass sich der Buchhandel für sie sicherlich nicht rechnet. Ob Panini jetzt im Buchhandel mehr verkaufen würde, daran glaube ich nicht: Deren Leser finden ihr Zeug auch ohne zusätzlichen Vertriebsweg.“

Neben dem Manga ist der Buchhandel aber auch das ideale Isotop für die Graphic Novel. Das ist ein nach wir vor schwammiger Begriff, unter dem alles Mögliche zusammengefasst wird, aber in erster Linie sind es einzelne, für sich stehende Titel, die damit in einer Buchhandlung auch besser aufgehoben sind. Das ist dann auch eine Schiene, die beispielsweise Splitter bedient, wobei es Carlsen stärker als alle anderen forciert hat, indem neben teuren Hardcover-Ausgaben nach einiger Zeit auch günstigere Softcover-Versionen erscheinen.

Der Comic hat sich im Buchhandel etabliert, wenn auch längst nicht in der Form, die man in den 1980er und 1990er Jahren für das höchste Gut hielt. Das Album ist zu einem Nischenprodukt geworden und im Fachhandel besser aufgehoben, der Manga und die Graphic Novel sind aber fester Bestandteil einer guten Buchhandlung. All das ist in großem Maße Carlsen zu verdanken. Hätte es diesen Verlag und seine Bestrebungen in den 1980er Jahren nicht gegeben, würde der Markt heute anders aussehen.

Von Peter

Ein Gedanke zu „Comic-Alben im Buchhandel (Teil 2)“

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