Die Geschichte beginnt stimmungsvollEmmy wusste immer, dass es in den Wäldern um ihr Zuhause nur so von Geistern und Monstern wimmelt. Doch am Abend ihres achtzehnten Geburtstags erfährt sie, dass sie mit diesen Kreaturen – und dem Land selbst – auf eine Weise verbunden ist, die sie sich nie hätte träumen lassen. Aber auch deswegen haben die Bewohner von Harrow County sie immer beäugt, weil sie nur darauf warteten, dass ein Fluch sich erfüllt.

Denn vor 18 Jahren töteten die Bewohner die Hexe Hester Beck, die Kranke heilen, aber Tiere verenden lassen konnte. Sie kündigte ihre Rückkehr an, und ist nun in Emmy wiedergeboren. Als sich die Zeichen häufen, wollen die Dörfler auch Emmy töten, doch sie ist nicht wie Hester. Ganz im Gegensatz zu ihrem Zwilling …

Die Serie debütierte in den USA im Jahr 2015. Bunn hatte die Geschichte so angelegt, dass die ersten beiden Storybögen eine abgeschlossene Erzählung darstellen, sollte der Erfolg eine Fortsetzung nicht rechtfertigen. Aber tatsächlich hatte er weit mehr im Sinn. Bis 2018 erschien die Serie, bevor sie mit der Nummer 32 wie geplant endete.

Harrow County wurde von vielen von Bunns Kollegen gelobt. „Verstörend und einfach brillant“, nannte Jeff Lemire den Comic und trifft den Nagel auf den Kopf. Dies ist eine Geschichte, die auf mehreren Ebenen funktioniert. Sie hat ein starkes Mysterium in ihrem Kern, faszinierende Figuren und phantasievolle Kreaturen, die Helfer oder Bedrohung für die Hauptfigur sein können. Das Setting in der Zeit der 1930er Jahre ist ideal für die Geschichte. Damit ergibt sich ein ganz eigenes Flair, das auch Tyler Crook besonders schön hervorhebt.

Wie er die Haints umsetzt, ist atemberaubend, ebenso aber seine Zeichenkunst an sich. Jeder Haint hat eine subtile Hintergrundgeschichte, die den Leser in den Bann schlägt. Crooks Layouts sind stark, da er die Haints immer etwas außer Sichtweite oder im Schatten bleiben lässt.

Die Farben, ebenfalls von Crook, sind atemberaubend. Die Wasserfarben, die verwendet werden, um dem Comic Leben einzuhauchen, passen perfekt zu diesem Stil. Die Pinselstriche sind so gesetzt, dass sie in die Irre führen können. Hat man erst mal verstanden, dass sich bei Harrow County viel in den Hintergründen tut, schaut man auf jedes Detail, um zu versuchen, Gesichter oder Silhouetten zu erkennen. Die Manipulation der Schatten ist intensiv und kann ein Gefühl der Angst hervorrufen. Crooks Darstellung von Blut und Schlamm ist ekelerregend, aber es gibt auch Momente von ergreifender Schönheit, die den Schrecken darin überdecken.

Wie er das gemacht hat? „Als Künstler bin ich auf visuelle Mittel wie Komposition, Farbe und Kontrast beschränkt“, erklärt Crook. „Aber ich denke, das Wichtigste, um den Leser emotional an einen bestimmten Ort zu führen, ist, dass die Figuren das gewünschte Gefühl zum Ausdruck bringen. Wenn etwas in der Geschichte beunruhigend ist, sollte man zeigen, wie sich eine Figur darüber aufregt.“

In den USA liegt Harrow County in verschiedener Form gesammelt vor. Bei Skinless Crow musste man sich also entscheiden, wie man den Comic für den deutschsprachigen Raum umsetzen wollte. Bei Dark Horse gibt es die Library-Edition mit dem Inhalt von jeweils zwei Tradepaperbacks, also acht Heften, und Bonusmaterial, das aus Skizzen, aber auch aus Back-up-Geschichten besteht. Die Omnibus-Ausgabe beinhaltet 16 Hefte.

Thomas Müller von Skinless Crow erklärt, wieso man sich fürs Omnibus-Format entschieden hat: „Zum einen ist das meinen persönlichen Präferenzen geschuldet. Mich interessiert das Bonusmaterial meistens nicht wirklich. Ich bin mehr auf Geschichte fixiert. Zum anderen hätte es vier Bände statt nur zwei gegeben. Das hätte das Ganze viel teurer gemacht. Und da man ja nie weiß, wie eine Serie läuft, wäre da das finanzielle Risiko auch viel grösser gewesen.“

Die gesamte Serie kann man mit den gut 400 Seiten starken Omnibi in zwei Ausgaben publizieren. Der zweite Band ist dieser Tage erschienen. Die Back-ups möchte Müller aber auch gerne noch bringen, vor allem aber ist er auch an dem Spin-off Tales from Harrow County interessiert, der zusammen mit den Back-up-Geschichten gut einen dritten Band füllen würde. In den USA erscheint der Spin-off in Form abgeschlossener Miniserien seit 2019. Geschrieben hat sie Bunn zusammen mit Tyler Crook, während für die zeichnerische Umsetzung Naomi Franquiz und Emily Schnall verantwortlich sind.

Harrow County ist eine sehr lesenswerte Serie, die es versteht, Horror mit den Elementen eines Dramas zu verweben. Das blieb auch in der Branche nicht unbemerkt. Es gab Nominierungen für den Bram Stoker Award und den Eisner Award in den Kategorien „Graphic Novel“ und „Best New Series“. Gewonnen hat die Serie drei Ghastly Awards in den Kategorien „Best Ongoing Title“, „Best Writer“ und „Best Artist“.

Wer Folk Horror mag, wer auf Geschichten steht, die den Horror nicht plakativ einsetzen, sondern tiefgründig sind, ist hier genau richtig. Der Besuch in Harrow County lohnt sich.

Von Peter

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