Der kanadische Autor Jeff Lemire ist nicht nur verdammt schnell, er ist auch verdammt vielseitig. Mühelos bewegt er sich zwischen seinen Independent-Comics mit sehr bodenständigen, menschlichen Geschichten und den Superhelden von Marvel und DC hin und her, während er dazwischen mit Black Hammer noch sein eigenes Superhelden-Universum aufbaut. Mit seinem Fantasy-Werk Berserker Unbound begibt er sich auf ganz neues Terrain. Das eines Barbaren vom Schlage eines Conan, wie Robert E. Howard ihn erfunden hat. Dass er sich überhaupt damit befassen würde, war Lemire bis zu dem Moment, da ihn jemand auf die Idee brachte, unklar.

Tatsächlich gab sein Partner, der Zeichner Mike Deodato Jr., den Ausschlag. Beide hatten für Marvel an der Serie Thanos gearbeitet. Zwar nur ein paar Hefte lang, aber sie verstanden sich gut und wollten gerne mehr machen. Lemire sprach Deodato also darauf an, ob er nicht Lust hätte, einen Creator-Owned-Comic mit ihm zu machen. Deodato war sehr interessiert, gab aber zu bedenken, dass er exklusiv bei Marvel unter Vertrag stand und lediglich am Wochenende an einem solchen Projekt arbeiten konnte. Kein Problem für Lemire, der sich erkundigte, was Deodato gerne machen würde: „Barbaren“ war die Antwort.

Deodato schätzt es nicht so sehr, Technologie zu zeichnen, er geht mehr darin auf, Organisches zu illustrieren, wenn man das so nennen will. Und er war von jeher ein Fan von Frank Frazettas großartigen Barbaren-Gemälden.

Lemire sagte, er brauche etwas Zeit, würde sich aber etwas überlegen. Deodato erwartete im Grunde nicht viel. Ähnliche Situationen hatte er schon erlebt, wobei solche Kollaborationen häufig daran scheiterten, dass die Autoren zu beschäftigt sind und nicht dazu kommen, über das gemeinsame Projekt nachzudenken. Dann meldete sich Lemire jedoch mit seiner Idee und fragte, was Deodato davon hielt. Der war sofort Feuer und Flamme und entwarf die Hauptfiguren. Die Zeichnungen schickte er Lemire, um sein Interesse an dem Stoff am Leben zu halten.

„Ein paar Tage später“, so erklärte es Deodato der Website Blacknerdproblems.com, „öffnete ich meine Dropbox und darin befanden sich die ersten Seiten des Skripts. Zwei Tage später kam die komplette Geschichte. Jeff ist einfach höllisch schnell.“

Lemire hat die Geschichten von Robert E. Howards Helden Conan nie gelesen. Die Comics kannte er auch nicht. Er hatte aber eine Vorstellung davon, wie diese Sword-and-Sorcery-Geschichten waren und fing so an, seine eigene zu entwickeln.

Berserker Unbound fängt klassisch an. Der Held Berserker ist eine archetypische Figur wie Conan, ein Mann, der sich aus der Sklaverei erhob, seine Peiniger erschlug und eine Revolution anzettelte. Er ist der Mischlingskönig, der Berserker, er wurde für das Kämpfen geboren und er weiß, dass er mit dem Schwert in der Hand sterben wird. Aber Berserker hat noch etwas anderes: Eine Frau und eine Tochter, die er liebt. Schon auf den ersten Seiten des Comics findet er sie erschlagen vor und kämpft gegen ihre Mörder, bevor es ihn in eine Höhle verschlägt und er durch ein magisches Portal tritt, das ihn in der Zeit verschlägt. Er wacht in einem Wald unserer Gegenwart auf und trifft auf den Aussteiger Cobb, der hier ganz alleine und zurückgezogen von der Welt lebt.

Beide verstehen sich nicht, weil ihre Sprachen so unterschiedlich sind. Das hält sie nicht vom Reden ab. Oder davon, dass sie Freunde werden, weil sie spüren, dass sie etwas verbindet. Doch kann der Barbar im Hier und Jetzt leben oder gibt es einen Weg zurück?

Lemire hat das Skript für die vier Hefte, die später in den USA bei Dark Horse und hierzulande bei Splitter in einem schönen Sammelband erschienen ist, schon drei Jahre zuvor geschrieben. „Ich bin darum schon ganz froh, dass ich nicht viel über Conan weiß“, sagte Lemire der Website Comics Beat. „Denn so hat Berserker seine ganz eigene Atmosphäre und seine eigene Mythologie.“

Tatsächlich war es ein Film, der Lemire am meisten inspirierte: Terry Gilliams Der König der Fischer, in dem Robin Williams einen Obdachlosen spielt, der Visionen eines Ritters hat, der ihm nachstellt, und in Jeff Bridges einen Freund findet. Die Beziehung der beiden Männer hatte es Lemire angetan und sie war die Hauptinspiration für Berserker und Cobb. Das Drumherum mit der Geschichte des Barbaren kam später, nachdem sich Lemire gefragt hatte, wie ein Barbar in der modernen Welt wohl agieren würde. Etwas, das Conan kurz zuvor in der Serie Savage Avengers auch getan hat, nur dass es dort ein deutlich länger anhaltender Zustand ist und er auf Marvel-Helden und Schurken trifft. Als Lemire seine Geschichte verfasste, konnte er das aber noch nicht wissen, zumal sich Berserker Unbound ohnehin stark von Conan abhebt.

Von Peter

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