In der Marvel stets inhärenten prätentiösen Weise, mit der man sowohl von sich selbst als auch den eigenen Helden sprach, reichte ein Verlagsname bald nicht mehr aus. Hatte man Anfang der 60er Jahre das „größte Magazin der Welt“ unter den eigenen Fittichen, so fand sich auch schnell ein geeigneter Name, der all das umschreiben sollte, was Marvel war und sein wollte: Das Haus der Ideen war geboren.

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Anders als die Konkurrenz von DC, der verehrten Konkurrenz („Distinguished Competition“), war man bis zur Blüte des Silver Ages immer der kleine aufstrebende Verlag, der dem großen Erfinder von „Superman“ und „Batman“ nichts entgegenzusetzen hatte, gewesen. Erst mit Beginn des zweiten Zeitalters der Comics begann Marvel mit originellen Ideen der Konkurrenz davonzueilen und auf lange Sicht am Markt führend zu bleiben (auch wenn sich dieses Bild vor allem im letzten Jahrzehnt durchaus revidiert hat).

Als Marvel entstand, war vom Haus der Ideen aber noch wenig zu erkennen. Tatsächlich hatte man noch nicht einmal den schönen Verlagsnamen, der später darauf hinweisen sollte, daß man bei den Comics dieses Verlages tatsächlich wahrgewordene Wunder betrachten konnte.

Die Erfolgsgeschichte des heutigen Marvel begann mit Martin Goodman, der 1910 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren wurde. Schon in seiner Kindheit war Goodman von den Pulps, Romanheften, die Kurzgeschichten und Fortsetzungsgeschichten brachten und aufgrund ihres stark holzhaltigen Papiers ihren Namen erhalten hatten, fasziniert. Er laß, was er in die Finger bekommen konnte und wußte schnell, daß er im Verlagswesen arbeiten wollte. Nachdem er kurzzeitig als Vertreter für einen New Yorker Verleger gearbeitete hatte, gründete er zusammen mit Louis Silberkeit die Firma Western Fiction Publishing und brachte kurz darauf die ersten Western-Pulps heraus. Goodmans Philosophie folgend hing sich seine Firma an jeden gerade heißen Trend und brachte zu erfolgreichen Titeln noch ein paar ähnlich gelagerte. Damit schöpfte er den maximalen Gewinn ab und schuf eine florierende Firma. 1934 trennte sich sein Partner Silberkleit von Western Fiction Publishing und Goodman begann, zahlreiche weitere kleine Verlage zu gründen.

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Der Hintergedanke war dabei, daß durch diese Diversifikation auch mal ein Unternehmen dicht machen kann ohne daß die anderen davon betroffen sind. Zudem waren viele kleine Unternehmen steuerlich weit günstiger als ein großes. 1936 präsentierte eine von Goodmans Firmen einen Pulp namens „Ka-Zar“. Dieser Wilde, der in einem vergessenen Land hauste und dort herrschte, war natürlich nichts anderes als ein dreistes Plagiat von Edgar Rice Burroughs Tarzan und dementsprechend auch nicht sonderlich erfolgreich, aber drei Jahrzehnte später sollte der Herr des Wilden Landes in den Superhelden-Comics des Verlages wieder auftauchen.

Zwei Jahre später tauchte das erste Mal das Wort „Marvel“ in einem der Titel von Goodmans Pulps auf. Dem Science Fiction-Heft „Marvel Science Stories“ war kein großer Erfolg beschieden, aber auf den wunderbaren Klang dieses ersten Wortes griff er künftig immer wieder zurück.

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Immer auf der Suche nach neuen Ideen, mit denen man auf den Markt gehen konnte, riskierte Goodman auch viele Mißerfolge. Ende der 30er Jahre, nachdem Superman in „Action Comics“ ein ganz neues Zeitalter der Unterhaltung eingeleitet hatte, sprang auch Goodman auf den sich gerade in Fahrt setzenden Zug auf. Überzeugt wurde er hier von Frank Torpey, der mit seiner eigenen Firma zwar eine Menge Comics herstellte, aber nicht die geringste Ahnung hatte, wie er sie unters Volk bringen sollte. Dafür war Goodman zuständig, wobei dieser beste Arbeit lieferte und den Grundstein von Marvel legte.

Im Jahr 1939 hatte die erste Ausgabe von „Marvel Comics“ Premiere. Darin enthalten war das erste Abenteuer von Namor, dem Submariner, der noch vor Goodmans erster Comic-Veröffentlichung von Bill Everett erfunden wurde. Neben diesem ersten Marvel-Helden, präsentierte „Marvel Comics“ aber noch einen weiteren Charakter, der in leicht abgewandelter Form auch heute noch seine Kreise zieht: The Human Torch, die Menschliche Fackel.

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Diese Fackel ist natürlich noch nicht Johnny Storm von den Fantastischen Vier, sondern ein Android, der seine Kräfte in den Dienst der guten Sache stellt. Ersonnen wurde er von Carl Burgos, der nach dem Ende des Goldenen Zeitalters in Vergessenheit geriet und Jahrzehnte später von John Byrne bei der Serie „Avengers: West Coast“ noch einmal geehrt wurde. Burgos selbst war ein junger Mann, der vom Schreiben der Geschichte über das Zeichnen bis zum Lettern alles selbst übernahm. Bill Everett war nicht sehr viel anders als Burgos. Zu einer Zeit, als die Comics gerade ihre Geburt erlebt hatten, gab es auch noch keine Profis unter denen, die sie machten. Jeder war ein Amateur, der eine mehr, der andere weniger. Was aber jeden antrieb, war eine Leidenschaft für das neue Medium, die Möglichkeit, in einer von der Depression geprägten Zeit wilde Abenteuer zu erzählen und selbst zu durchleben.

Mit Human Torch und dem Submariner waren im Premierenheft zwei Helden enthalten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten und beide trafen einen Nerv der Leser, da sie anders als die vielen sich inzwischen überall tummelnden Helden waren. Namor und Torch kämpften für das Gute, aber sie waren keine Vorzeigeamerikaner. Der eine ein Android, der andere im Endeffekt ein Monster aus den Tiefen des Meeres, überzeugten sie beide durch eine gewisse Gefährlichkeit, die durch das Feuer der Fackel oder den Jähzorn des Submariners dargestellt wurde.

Mit seinem ersten Comic hatte Goodman auch einen neuen Firmennamen parat: Timely Publications, aus dem später Timely Comics und schließlich Marvel werden würde.

Von Peter

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