Vor mehr als 120 Jahren schrieb der irische Bram Stoker das Werk, das ihn unsterblich machen sollte – und von einem Unsterblichen erzählte: Dracula. Der Roman, der mehrheitlich in Tagebucheinträgen erzählt ist, wurde im Lauf der Jahre zum immensen Erfolg. Hollywood entdeckte den Fürsten der Finsternis recht schnell, wenn auch der Deutsche Friedrich Willhelm Murnau ihnen 1922 mit Nosferatu zuvorkam. Es war eine nicht autorisierte Adaption. Weitere sollten im Lauf der Jahre kommen. Das machte Dracula zu einer der am meisten adaptierten Figuren der Literaturgeschichte, da abseits von Hollywood auch Schriftsteller viel mit der Figur anzufangen wussten.

Auch in der Welt der Comics hielt der Vampirfürst Einzug, häufig in abgewandelter Form und nur das von Stokers Vorlage nehmend, was gerade opportun war. Bisweilen machten sich Autoren und Zeichner aber auch daran, den Roman selbst zu adaptieren. Mit Bram Stokers Roman haben sich im Lauf der Jahre viele Künstler befasst.

Noch bevor Dr. Frederick Wertham mit seinem Buch Seduction of the Innocent den Comics den Stempel des Verruchten aufdrückte, hatte man sich bei Classics Illustrated der Geschichte Draculas angenommen. Hierzulande erschien dieser Comic nie, in den USA schlug er keine Wellen. Das mag auch an der einigermaßen anämischen Umsetzung gelegen haben, die Marvel aber Jahre später nicht davon abhielt, den Comic mit neuem Cover neu aufzulegen – um angesichts des Erfolgs der eigenen Horror-Serie Die Gruft von Dracula mit einem weiteren Produkt auf die Schnelle zur Kasse bitten zu können. In der Serie nahmen Autor Marv Wolfman und Zeichner Gene Colan Stokers Roman nur als Ausgang, eine Adaption gab es nicht.

Wohl aber begannen Roy Thomas und Dick Giordano in Kapitel-Häppchen für Dracula Lives, ein Schwarzweiß-Magazin aus dem Hause Marvel, das auf das Siegel des Comics Code verzichten und darum freier erzählen konnte. In Schwarzweiß sehen Giordanos Seiten prächtig aus. Die Adaption ist nahe am Original und lässt sich bei der Erzählweise Zeit. In gewisser Weise ein Fehler, denn Dracula Lives wurde eingestellt, bevor die Geschichte beendet war. Ein Kapitel, das für das Magazin gefertigt worden war, erschien noch in dem Magazin Legion of Monsters, aber auch dort kam die Geschichte nicht zu ihrem verdienten Ende – und das fast 30 Jahre lang.

Vertigo wollte in den 1990er Jahren die Rechte an den vorhandenen Kapiteln von Marvel erwerben und Thomas und Giordano die Adaption abschließen lassen. Doch daraus wurde nichts. Erst, als Marvel merkte, dass man mit Reprints von Die Gruft von Dracula gut verdiente, beschloss man, Thomas und Giordano die Gelegenheit zu geben, die Geschichte zu beenden.

Stoker’s Dracula war der Titel der Miniserie und späteren Graphic Novel, die nun darunter leidet, dass Giordanos Stil sich in all den Jahren weiterentwickelt hatte. Man kann den Unterschied erkennen, problematischer ist jedoch, dass Marvel eine Seitenvorgabe machte. Das Ergebnis: In den ersten 100 Seiten ist der Erzählfluss getragen und lässt der Geschichte Raum zum Atmen, in den weiteren 100 Seiten fühlt sich alles etwas gehetzt an. Die ursprünglich schwarzweiß gehaltene Geschichte wurde später auch koloriert erneut veröffentlicht, verliert so aber allen Charme.

Von Peter

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