Im Kino war Just Jaeckins GWENDOLINE einst ein wenig gekürzt, indiziert war der Film aber nie. Erstmals liegt er nun in einer exzellenten Edition vor – wahlweise als UHD oder Blu-ray. Camera Obscura musste lange hinbaggern, um die Lizenz für diesen Film zu erhalten. Die Umsetzung zeigt dann auch die Leidenschaft für den Film. Es gibt vier Mediabooks in verschiedenen Limitierungen – insgesamt wurden gut 2.300 Stück aufgelegt, die aber rasend schnell Absatz finden.


Auf der Suche nach ihrem bei der Jagd nach einem seltenen Schmetterling verschollenen Vater, verschlägt es die brave Gwendoline nach China. Doch schon bei der Ankunft geraten sie und ihre Zofe Beth in die Gefangenschaft finsterer Mädchenhändler. Aus dieser misslichen Lage werden sie befreit vom raubeinigen Schmuggler Willard, den sie daraufhin überreden, sie auf ihrer weiteren Reise zu begleiten. Als sie jedoch vom Tod des Vaters erfahren, beschließen sie, ihm die letzte Ehre zu erweisen, indem sie seine Suche nach dem geheimnisvollen Schmetterling zu Ende bringen. Ihre beschwerliche Odyssee führt sie vorbei am kannibalistischen Kiops-Volk und durch die geheimnisvolle Wüste Yek Yeik geradewegs in eine unterirdische Stadt, die von einer sadistischen Königin und ihren männerhungrigen Amazonen bewohnt wird…


Der Film war mit seiner S/M-Ästhetik und den softerotischen Einlagen zu seiner Entstehungszeit durchaus so etwas wie tabu-behaftete Unterhaltung. Knapp 40 Jahre später ist davon nicht viel geblieben, außer einer wunderbar schrägen Mixtur der unterschiedlichsten Genres – von Fantasy, Erotik, Exotik und Abenteuer bis zur Komödie. Oder anders gesagt: Dieser Film ist das, was man gemeinhin „camp“ nennt, eine völlig Übertreibung dessen, was man eigentlich erzählen will, wodurch das Ganze eine zusätzliche Qualität erhält.
Man kann GWENDOLINE darum als so etwas wie die erotische (und etwas trashigere) Version von JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES sehen, inszeniert mit der erotischen Ästhethik, die Just Jaeckin in den 1970er Jahren mit Filmen wie EMANUELLE kultiviert hat.


Die Vorlage ist der gleichnamige Comic von John Willie, der Gwendoline in vignettenhaften Geschichten von einem Bondage-Malheur ins andere stolpern ließ. Obwohl durchaus als ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema BDSM gedacht, haben diese Comics mittlerweile auch eine gewisse Unschuld, da Willie seine Figuren züchtig verhüllt. Das kann man auch im Booklet sehen, denn hier gibt es 13 Seiten mit den Comics in deutscher Übersetzung. Der Rest des Booklets ist einem Essay von Professor Marcus Stiglegger vorbehalten, der über die S/M-Ästhetik und ihre Bedeutung für den Film spricht.
Der Film ist aus heutiger Sicht ein eher züchtiger Streifen, aber in seiner naiven Art durchaus unterhaltsam – wenn man das Ganze als übertriebenen Quatsch versteht, in dem immerhin die 1980er-Musikvideo-Ikone Tawny Kitaen zeigefreudig agiert.


Das Bonusmaterial ist umwerfend. Es gibt mehrere Audiokommentare und gleich drei Interviews mit dem Regisseur. Für Comic-Fans besonders interessant sind die Interviews mit Francoise Schuiten und Claude Renard, die als Konzeptkünstler für den Film tätig waren. Weitere Interviews fördern zusätzliche Informationen zutage. Interessant ist auch das Audiointerview mit John Willie.
Die Mediabooks sind formschön gestaltet, eines der tollsten Motive wurde exklusiv für diese deutsche Version angefertigt – und zwar vom Künstler Timo Würz.

Von Peter

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