Für die Geburt von Marvel Music verantwortlich war Terry Stewart, damals der CEO des Verlags, der später auch Präsident der Rock and Rock Hall of Fame werden sollte. Zu der Zeit, in den frühen 1990er Jahren, hatte Revolutionary Comics mit nicht autorisierten Comic-Biographien von Musikern großen Erfolg, auch wenn man regelmäßig verklagt wurde. Das war Stewart aber nicht entgangen, der das, was Revolutionary Comics machte, auf die richtige Art und Weise angehen wollte – mit dem Segen der Musiker, vor allem aber auch mit hervorragenden Leuten für den Text und die Zeichnungen.

Er wollte, dass Marvel sich diversifiziert. Man dachte über Bibel-Comics nach, aber auch über welche, die sich an Mädchen richten. Alles wurde in Betracht gezogen, am erfolgversprechendsten erschienen aber Rock-Stars zu sein.

Stewart wandte sich an Mord Todd und bot ihm an, dieses neue Imprint zu entwickeln. Er hatte nur eine Direktive: Dass man bei den Projekten so unterschiedlich wie möglich sein sollte. Das nahm Todd wortwörtlich und nutzte das fast unbegrenzte Budget, das man ihm offeriert hatte, um persönlich mit Musikern zu sprechen – hohe Spesenkosten inklusive.

Marvel Music war intern bei Marvel nicht unbedingt wohl gelitten. Bei Musik-Comics dachten die meisten Künstler an kitschige Projekte der 1970er oder billige Biographie-Comics. Es war entsprechend schwierig, Künstler für Projekte zu überzeugen. Auch die Musiker mussten überzeugt werden, aber Todd setzte darauf, dass es in jeder Band einen Comic-Fan geben würde. Recht hatte er damit bei Onyx, dessen Sänger Sticky Fingaz Marvel-Comics liebte. Darum griff er Jahre später auch die Gelegenheit beim Schopf, als er den Vampirkiller Blade in der gleichnamigen Fernsehserie spielen sollte.

Todds assistierender Redakteur Karl Bollers arbeitete eng mit Onyx zusammen. Man versprach der Band auch die künstlerische Kontrolle über das Projekt. Bollers schlug einige Autoren vor, Onyx lehnte aber alle ab. Dafür konnten die Band-Mitglieder gut mit Bollers und wollten, dass er das Skript verfasst. Das Ergebnis erschien im Jahr 1995: Onyx: Fight!, geschrieben von Bollers, gezeichnet von Larry Lee. Die Grundidee kam von Onyx selbst.

Die Geschichte beginnt im postapokalyptischen New York des Jahres 1999. Die Band spielt in der ausgebombten Stadt, als ihre Freundinnen, die allesamt Rapperinnen sind, in eine nahegelegene Wüste entführt werden. Onyx jagt ihnen hinterher, als die außerirdischen No-Madz auftauchen, die der Welt ihre kreative Energie berauben will, aber Onyx startet mit der kontrollierten Wut ihrer Musik die Rebellion gegen die Invasoren.

Eine wilde, absolut verrückte Geschichte, die aber wie der Alice-Cooper-Comic zeigte, dass man nicht zwangsläufig auf biographische setzen, sondern die Musiker in phantastische Geschichten einbetten wollte.

Es ging aber auch anders, wie Bob Marley: Tale of the Tuff Gong bewies. Verschiedene Kreative wie Charles E. Hall und Gene Colan waren an der Serie beteiligt, die im Großen und Ganzen die Lebensgeschichte des im Alter von nur 36 Jahren gestorbenen Sängers erzählte, wobei einige Textpassagen aus Marleys Song zum Einsatz kamen. Die erste Ausgabe hatte zudem ein Vorwort von Bono und eine Bonusgeschichte, die sich mit der Geschichte der Rasta in Jamaika auseinandersetzte.

Obwohl Marvel Music kurzlebig war, schaffte man es doch in dem Zeitraum von 1994 bis 1995 einige Serien in die Comic-Shops zu bringen. Break the Chain war ein Comic, dem sogar eine Kassette mit drei Songs des Rappers KRS-One beigelegt war. Einer der Songs war dabei als Begleitprogramm zum Comic gedacht. KRS-One wird im Comic zu Big Joe Crash, der Jugendlichen beibringen will, dass sie alle die Kette brechen und mehr aus sich machen können, wenn sie nur an sich arbeiten.

Ein ungewöhnlicher Comic war Woodstock, 1969. Man hatte hier verschiedene Zeichner mit sehr unterschiedlichen Stilen vereint, um dem wohl legendärsten aller Rockfestivals Tribut zu zollen. Das verbindende Element der Geschichte sind Zeitreisende aus der Zukunft, die ins Jahr 1969 reisen, weil sie Woodstock und die Menschen, die es besuchten, ganz authentisch erleben wollen.

Der Comic Rolling Stones: Voodoo Lounge erschien zeitgleich mit dem gleichnamigen Album der Band im Jahr 1995. Bemerkenswert ist er heute vor allem, weil Dave McKean ihn als Autor und Illustrator in Personalunion verantwortet hat. McKean wurde durch seine Covers für die Sandman-Comics bekannt und hat einige von Neil Gaimans Graphic Novels illustriert, wobei er die Grenzen dessen, was ein Comic ist, immer neu auslotete, indem er auch mit Fotografien und Collagen arbeitete.

Billy Ray Cyrus von Paul S. Newman, Dan Berry und Gail Beckett ist ungewöhnlich zwei Zeitreisegeschichten erlebt. In einer hilft der Country-Sänger zwei jungen Liebenden, wieder zu einander zu finden. In der Geschichte No Way to Stowaway verschlägt es den Sänger ins Jahr 1295, wo er nicht nur gegen eine Armee kämpfen, sondern auch einen Weg nach Hause finden muss, um dort pünktlich seine Show abliefern zu können.

Eher surreal war auch Marty Party in Space. Der mit einem Grammy ausgezeichnete Künstler Marty Stuart findet sich hier in einer Geschichte wieder, in der er Außerirdischen begegnet und hofft, die Kontrolle über einen magischen Ring zu erhalten. Ein bizarrer Comic, der aber zu den besser verkauften Ausgaben des Imprints gehörte.

Von Peter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert