Man merkt Devolution schon an, dass hier ein jüngerer Mann am Werk war. Einer, der noch eine gewisse Wut auf das System hat, aber diesem auch zusehends mehr mit Apathie begegnet. Es gibt nur ein bisschen sozialkritischen Kommentar, meinte Remender, da die Geschichte ohne ihn zu flach wäre. Was jedoch da ist, ist eine Abrechnung mit der Menschheit als Ganzem.

Am Ende ist die Hauptfigur desillusioniert. Weil sie die letzten Reste der Menschheit kennen gelernt und gesehen hat, dass Hass und Gewalt ein niemals endender Bestandteil des menschlichen Seins sind. Würde sie die Devolution stoppen, würde alles von vorne beginnen, und sich in einer Spirale immer weiter steigern, bis der Planet und alles, was darauf lebt, vor die Hunde geht. Die Devolution ist der Weg, den Planeten, aber auch das Leben zu retten, weil der Mensch als größte destruktive Kraft ausfällt.

Auch das ist eine bittere Erkenntnis, die von wenig Hoffnung zeugt, die Remender aber auch nicht mehr verfälschen wollte. Er erlaubte es der Geschichte, die seines jüngeren Ichs zu sein. „Bevor ich die Manuskripte an Jon Wayshak schickte, ging ich noch mal darüber und wollte hier und da etwas verändern, aber dann wurde mir klar, dass Dinge zu verändern, die ich vor zehn Jahren geschrieben hatte, sich irgendwie nach dem anfühlte, was George Lucas getan hatte. Diese Geschichte ist eine Idee, die ich vor zehn Jahren hatte und die ich heute vielleicht nicht mehr schreiben würde. Es gibt eine Menge Gewalt und Sex, und das nicht unbedingt auf die Art, wie ich das heute machen würde, aber ich habe all das belassen, weil es der Intention entsprach, die ich vor zehn Jahren hatte.“

Der 1973 geborene Rick Remender erfand 1998 den absurden Comic Captain Dingleberry, während er als Animator für Zeichentrickfilme wie The Iron Giant oder Titan A.E. tätig war. Später arbeitete er auch als Bleistiftzeichner und Tuscher, aber seine wahre Passion war das Schreiben, mit dem er 2004 so richtig durchstartete, so dass ab 2005 bei Image die Serien Sea of Red und Strange Girl und bei Dark Horse Fear Agent erschien, da aber zuvor bei Image gestartet worden war. Hier zeigte sich auch schon sei Faible für phantastische, vor allem aber für Science-Fiction-Stoffe.

Gerade Fear Agent erinnert an die pulpigen Sci-Fi-Geschichten er 1950er Jahre, aber auch an die legendären E.C. Comics. Genau dieses Gefühl wollte er auch bei Devolution erzeugen, das nicht nur in der Tradition von William Gaines‘ bahnbrechenden Comics stehen sollte, sondern auch Anleihen bei den Filmen Max Max 2 und Jurassic Park nahm. Zugleich verzichtete Remender aber darauf, seine Geschichte wissenschaftlich zu stützen. „Es gibt ein paar Standards, etwa, dass Vögel die sehr entfernten Nachkommen von Dinosauriern sind. Also habe ich aus Hühnchen Velociraptoren werden lassen. Gibt es tatsächlich etwas, das beide miteinander verbindet? Wahrscheinlich nicht. Menschen stammen auch nicht direkt vom Neandertaler ab, aber ich habe mit diesen pulpigen Ideen einfach meinen Spaß.“

Nach seiner Zeit bei Marvel, wo er u.a. Uncanny X-Force, Punisher, Uncanny Avengers und Captain America schrieb, wandte er sich vor allem seinen eigenen Ideen zu. Bei Image publizierte er eine Reihe von Serien, die auch hierzulande veröffentlicht werden: Deadly Class über eine Assassinen-Schule bei Panini und die Sci-Fi-Serien Low und Black Science bei Splitter.

Mit dem ursprünglich vorgesehenen Zeichner Paul Renaud arbeitete Remender später bei einer Einzelausgabe von Red Sonja zusammen. Der Devolution-Zeichner Jonathan Wayshak ist zwar schon seit den frühen 2000er Jahren als Illustrator aktiv, hat im Comic-Bereich nicht allzu viel vorzuweisen. Für DC zeichnete er im Jahr 2008 die den Film fortsetzende Miniserie Lost Boys: Reign of Frogs, danach die Wildstorm-Miniserie Ferryman und ein Heft der Serie Authority: The Lost Year.

Remender war von seinem Partner begeistert, und das schon lange, bevor die ersten Seiten gesehen hatte: „Jon ist ein Weltklasse-Illustrator, der in seinem Bereich ein großer Name ist. Comics macht er nur, weil er sie liebt. Er ist großartig darin, seine Phantasie auf Papier zu bringen. Ich wusste, dass es grandios werden würde, wenn er die verrückten Kreaturen dieser Geschichte zum Leben erweckt. Jon ist einer der größten Künstler, wenn es darum geht, Wahnsinn und Verderbtheit einzufangen.“

Dass Remender die alten E.C. Comics liebt, merkt man Devolution schon an. Auch und gerade, weil er hier ein Ende gestaltet, das bissig ist und es schafft, Hoffnung mit Zweifel zu kombinieren. Es lässt viel offen, weniger für ein Sequel, das Remender nach all der Zeit wohl nicht mehr plant, als vielmehr für die Phantasie des Rezipienten, der darüber sinnieren kann, wie sich diese Welt verändert, wenn die Devolution in ihr Gegenteil verkehrt wird.

Die deutsche Ausgabe, die im Format ein wenig größer ist als ein normales US-Comic-Heft, orientiert sich an der Vorlage von Dynamite. Das heißt, man nutzt auch das blutige, aber auch ein wenig nichtssagende Cover, während jenes Bild, das das erste US-Heft geschmückt hat, doch eigentlich viel passender ist.

Aber man schreckte wohl schon in den USA zurück, dies für das Tradepaperback zu nutzen, weil Zeichner Jae Lee hier eine gelungene Hommage an den Höhepunkt des originalen Der Planet der Affen-Films aus dem Jahr 1968 bietet. Und doch ist es auch so wunderbar passend, denn obschon keinerlei intelligentes Leben mehr über den Planeten herrscht, ist die Rückentwicklung hin zu Urzeitmenschen eben doch auch etwas, das an das Schicksal der Menschen in dieser klassischen Filmreihe erinnert. Zumal Remender auch damit spielt, ikonische Bilder längst untergegangener Bauwerke zu zeigen, fängt die Geschichte von Raja doch in Las Vegas an und zeigt einige der berühmtesten Hotels der Stadt der Spieler.

Devolution ist gelungene Science Fiction, die Remenders Faible für komprimierte Erzählweise sehr entgegenkommt. Er streckt hier nicht, sondern erzählt mit absoluter Rasanz, während er seine Hauptfigur auf die phantastischsten Kreaturen treffen lässt. Letzten Endes hat er mit Devolution eine Welt erschaffen, die – obwohl die grundsätzlichen Überlegungen sicherlich nicht allzu umfangreich waren – jede Menge Raum offenlässt, um weitere Geschichten in dieser urwüchsigen Umgebung zu erzählen. Aber nicht alles muss fortgesetzt werden, manches entfaltet in einer Form des Unvollendeten – oder ambivalent Vollendeten – die meiste Wirkung.

Devolution ist wie ein klassischer Action-Film der 1980er Jahre. Das einzige, was nun noch fehlt, ist ein Filmemacher, der sich dieses Stoffs annimmt …

Von Peter

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