Seit gestern läuft THE OLD GUARD 2 bei Netflix. Der Film ist, obwohl von Comic-Autor Greg Rucka geschrieben, enttäuschend, weil er so extrem simplifiziert daherkommt.
Die grundsätzliche Idee des Comics ist natürlich nicht neu. Sie im Grunde stark von Highlander inspiriert, zumal es Rucka auch versteht, das Zweischneidige am unsterblichen Leben herauszuarbeiten. Immer leben, immer allein sein, niemals mit jemandem alt werden – das ist die Crux der Unsterblichkeit. Damit einher geht eine Melancholie, die immer spürbar ist. Weil Unsterblichkeit auch Einsamkeit bedeutet.
The Old Guard ist im Kern auch eine Superhelden-Geschichte – ohne die Kostüme, ohne die großen Gesten, aber mit dem entsprechenden Herz. „Sie rettet ein Leben und zwei, drei Generationen später ernten wir die Früchte“, erklärt Copley vor einer Wand stehend, in der er so gut es geht, rekonstruiert hat, wen Andy im Lauf der Jahrzehnte gerettet hat, und was diese Geretteten oder deren Nachkommen der Welt gegeben haben. Vielleicht ist das der Grund für die Unsterblichkeit der Wenigen – eine interessante Idee, die auch Stoff für die weitere Erkundung bietet.
Aber im zweiten Band denkt Rucka das auch weiter. Er zeigt die Kehrseite dieser Medaille. Schon in der ersten Geschichte erzählte er von Noriko, der ersten Unsterblichen, der Andy je begegnet ist. Sie waren lange alleine, bis sie die anderen fanden – und dann, vor ein paar hundert Jahren, wurde Noriko ihnen entrissen und fand ein feuchtes Grab am Grunde des Meeres, dazu verflucht, zu ertrinken, wieder zum Leben zu erwachen und wieder zu ertrinken, eine Tortur, die Jahrhunderte andauerte. Das hat Noriko einen anderen Blick auf die Welt gegeben. Den des Leids. Sie ist davon überzeugt, dass es die Aufgabe der Unsterblichen ist, die Welt in Schmerz zu tauchen. Damit ist sie die Antithese zu dem, was Andy als ihren Lebenszweck ansieht.
Im Verlauf von Konzentrierte Kräfte stellt sich das Gefühl schon ein, am Ende bestätigt es sich dann. Rucka hat diese Geschichte nie als etwas konzipiert, dass er ad infinitum fortsetzen will. Im Gegenteil: Er hat eine Trilogie daraus gemacht. Auf der letzten Seite des zweiten Bandes kündigt er die Rückkehr der Old Guard ein – ein letztes Mal.
Wann dieser dritte Teil kommen wird, wurde noch nicht gesagt. Man kann nur hoffen, dass es nicht wieder drei Jahre dauern wird. Aber Rucka wird wohl auch mit dem Drehbuch zum zweiten Film beschäftigt sein, denn The Old Guard lief bei Netflix so gut, dass sofort das Sequel geordert wurde.
Sieht man sich Konzentrierte Kräfte an, merkt man schon, dass man hier das Mittelstück einer Trilogie vor sich hat. Weil sich viel ändert und der Status Quo durchgerüttelt wird. Durch die Rückkehr von Noriko, vor allem aber durch die charakterliche Entwicklung von Andromache, kurz Andy. Denn die Jahrtausende haben ihren Tribut gefordert, die Einsamkeit, vor allem aber die Angst davor, hat sie eingeholt. Und das, was man am meisten fürchtet, ist oftmals das, was man erleidet – weil man unbewusst darauf hinarbeitet. So ergeht es auch Andy, während Rucka in nur einem Satz eine Bombe platzen lässt.
Denn bis dato kannte man nur die Unsterblichen der Old Guard. So wie sie keine anderen getroffen haben, kennt man auch Leser keine anderen. Der Konsens war, dass es nur diese Handvoll im Lauf von Jahrtausenden gegeben hat. Aber was, wenn dieses Gedankenkonzept völlig falsch ist? Damit spielt Rucka und bereitet alles für einen dritten Teil vor. Wie jetzt auch beim Film, nur dass nach diesem das Interesse an einem Abschluss der Trilogie eher gering sein dürfte …


